Deutsche Türkei Zeitung

Flughafen Gazipasa

Flughafen Gazipasa: Kommt er oder kommt er nicht?

Wie eine ganze Region Wunsch und Wirklichkeit verwechselt
Der Flughafen Gazipaşa wird nie ein internationaler Flughafen. Das ist aus technischen und wirtschaftlichen Gründen unmöglich. Alles andere ist Wunschdenken und sonst nichts!

Vor einigen Monaten hat die TAV-Holding die Konzession für den Flughafen in Gazipaşa erworben. Inzwischen wird in türkischen Zeitungen und zig Foren verkündet, im November 2008 werde der Flughafen Gazipaşa eröffnet. Dann sollte es Anfang 2009 sein, dann Juni 2009. Man erwarte drei Millionen Fluggäste pro Jahr. Anlass für die Prima Türkei, sich einmal genauer mit dem Flughafen Gazipaşa zu beschäftigen.

Nach der Ankunft im Flughafen Antalya müssen die Reisenden meist eine halbe Stunde auf ihr Gepäck warten. Und dann folgen mindestens eineinhalb Stunden Transfer. Da wäre ein eigener Flughafen in Gazipaşa doch die Lösung. Statt 130 km von Antalya wäre die Strecke nur noch ein Drittel so lang. Den Flughafen Gazipaşa wird es aus vielen Gründen jedoch nicht geben.

Der Flughafen im Detail

Gazipaşa liegt ca. 40 km östlich von Alanya. Seit vielen Jahren gibt es dort einen ungenutzten Flughafen. Dieser liegt am westlichen Stadtrand des Ortes. Früher landeten dort gelegentlich ein paar Militärmaschinen. Das Gelände ist eingezäunt. Ohne Erlaubnis kann man dort nichts besichtigen.

Startbahnlänge

Die Start- und Landebahn in Gazipaşa war 1.250 Meter lang und ist jetzt auf 1.700 Meter verlängert worden. Es gibt keinen Taxiway, d.h. keine eigene Rollbahn zur Startbahn. Das Flugzeug muss deshalb auf der Startbahn bis zum Ende "fahren" und dort dann drehen. Bis zum Start der nächsten Maschine dürfte es an die zehn Minuten dauern.

Ein Terminalgebäude gibt es bereits. Es hat einen Eingang und gerade mal vier Abfertigungsschalter. Das stört aber nicht, denn es gibt nur drei Abstellplätze für Flugzeuge.

Jedes Flugzeug benötigt eine bestimmte Strecke für den Start und die Landung. Diese sind im ICAO Anhang 14 und in den Flughandbüchern der einzelnen Flugzeuge festgelegt. Es gibt dort Angaben über die erforderliche Startbahnlänge. Die Bauvorschriften berücksichtigen auch einen Triebwerkausfall.

Die meisten Fluggesellschaften setzen für Flüge nach Europa entweder eine Boeing 737, einen Airbus A320 oder ähnliche Maschinen ein. Diese Flugzeuge haben ca. 180 bis 200 Plätze. Manchmal landen in Antalya auch Maschinen mit 320 Sitzen. Das ist dann ein Airbus A330. Aus Russland kommen überwiegend Flugzeuge in der Grössenklasse eines Airbus A330.

Die meisten Airlines fliegen von Europa nach Antalya mit einer Boeing 737-800. Dieser Flugzeugtyp hat 189 Sitzplätze. Er ist 39,50 Meter lang, und die Spannweite beträgt 34,50 Meter. Das maximale Startgewicht beträgt 78.000 kg. Davon entfallen 41.000 kg auf das leere Flugzeug. Bei Flügen nach Antalya sind ca. 15.000 kg Kerosin in den Tanks. Bleiben ca. 22.000 kg für Passagiere, Gepäck und Luftfracht übrig. Die Boeing 737-800 gibt es mit verschiedenen Triebwerken. Ältere Maschinen haben zwei Triebwerke mit je 22.000 lbs Schubkraft. Neuere Maschinen haben stärkere Turbinen mit je 26.500 lbs Schubkraft.

Berge als Hindernis

Die ICAO-Vorschriften regeln auch, in welcher Entfernung hinter der Startbahn mögliche Hindernisse sein dürfen. Aus Sicherheitsgründen muss auch hier ein Triebwerksausfall eingerechnet werden.

Wenige Kilometer hinter dem Flughafen beginnt das Taurusgebirge. In weniger als 10 km Entfernung beginnt die erste Bergreihe mit 800 Meter. Eine Boeing könnte somit nur vom Meer aus landen und in Richtung Meer starten. Gegenverkehr ist aber nicht erlaubt. Ausserdem muss ein Flugzeug immer gegen den Wind starten und landen. Beim Starten oder Landen in Windrichtung müsste die Startbahn nochmals erheblich länger sein.

Fazit: Weil der Flughafen so dicht am Gebirge liegt, sind Start und Landung für grössere Maschinen nicht möglich.

Vorschriften der Flugzeughersteller

Der Flugzeughersteller erstellt ein Flughandbuch (AIRPLANE FLIGHT MANUAL, AFM). Dieses von der Luftfahrtbehörde des Herstellers zu genehmigende Handbuch ist die Basis für die Berechnung aller Werte. Für jeden Typ und jede Version, auch für jede Triebwerksversion, gibt es ein eigenes Handbuch. Hier stehen dann u.a. genaue Angaben zur Startbahnlänge. Die Boeing 737-800 mit den stärkeren Triebwerken benötigt danach 2.200 Meter bis zum Abheben. Dieser Wert gilt bei 15 Grad Celsius. Bei höheren Temperaturen kommt 1 % für jedes Grad Mehrtemperatur (errechnet aus der Durchschnittstemperatur des wärmsten Monats) hinzu. Wenn man für Gazipa a eine Höchsttemperatur von nur 30 Grad Celsius annimmt, müssen 15 % Zuschlag angesetzt werden. Und auch für die Höhenlage gibt es einen Zuschlag von 2,66 % pro 100 Meter über dem Meeresspiegel. Für eine Boeing 737-800 mit zwei Triebwerken von je 26.500 lbs Schubkraft ergibt sich somit eine Mindestlänge der Start- und Landebahn von ca. 2.600 Metern. Bei den schwächeren Triebwerken muss die Bahn nochmals 300 Meter länger sein.

Im Flugverkehr wird auf Sicherheit gesetzt. Die Landebahn muss auch dann noch lang genug sein, wenn ein Triebwerk ausgefallen ist. Auch Durchstarten mit nur einem Triebwerk muss möglich sein. Damit alles sicher ist, werden nur 60 % der tatsächlichen Landebahnlänge berücksichtigt. Die notwendige Länge von Startbahn und Landebahn kann man ebenfalls aus dem Airplane Flight Manual entnehmen. Sie beträgt 1.700 Meter bei trockener und 2.000 Meter bei nasser Landebahn.

Ein Airbus A330-200 mit 325 Sitzplätzen wiegt leer 117.000 kg. Nach Antalya werden ca. 25.000 kg Kerosin getankt. Passagiere und Gepäck bringen 40.000 kg auf die Waage. Das Startgewicht beträgt somit rund 182.000 kg. Bei vollen Tanks (max. 139.000 Liter) würden es beim Start 233 Tonnen sein. Dieser Flugzeugtyp hat zwei Turbinen mit je 68.000 lbs Schub. Unter Berücksichtigung aller Faktoren benötigt dieser Airbus eine Start- und Landebahn von 3.600 Metern.

Die Start- und Landebahn in Gazipaşa ist aber nur 1.250 Meter lang. Für eine Boeing 737-800 also um 1.350 Meter zu kurz. Eine Boeing 737-800 kann auf dem Flughafen Gazipaşa nicht starten und landen. Für einen Airbus A330-200 oder eine ähnlich grosse russische Maschine fehlen sogar über 2.400 Meter.

Grafik Start und Grafik Landung

3 Millionen Passagiere?

Es werden immer wieder drei Millionen Fluggäste für Gazipaşa genannt. Diese Zahl ist völlig unrealistisch. Der Flughafen Antalya hatte 2007 ca. 14,5 Mio. Passagiere. Das sind 7,25 Mio. ankommende und 7,25 Mio. abfliegende Personen.

Kürzere Transferzeiten würde ein Flughafen Gazipaşa für die Region von Alanya bis nach Avsallar bringen. Von den Antalya-Fluggästen entfällt aber höchstens ein Fünftel auf diese Region. Der Flughafen Gazipaşa müsste also alle Passagiere dieser Region aus Antalya abziehen.

Im Winterhalbjahr fliegt Tuifly überhaupt nicht in die Türkei. Air Berlin hat einen einzigen Sammelflug pro Woche aus ganz Deutschland. Sunexpress hat ca. 80 Flüge pro Woche nach Antalya. Dazu kommen noch einige Flüge von Pegasus, Sky usw. Alle Gesellschaften konzentrieren sich auf wenige Abflughäfen in Deutschland. Oftmals kommt es vor, dass das Flugzeug in Leipzig startet und erst noch über Bremen fliegt, um dort weitere Passagiere einzuladen. Die Airlines haben Probleme, ihre Flüge nach Antalya vollzukriegen. Da werden sie nicht noch halbleere Maschinen nach Gazipaşa schicken. Im Winter dürfte kein Flugzeug aus Europa in Gazipaşa ankommen.

Im Sommer könnte es etwas besser aussehen. Da wäre es theoretisch möglich, pro Woche je eine Maschine von den grossen Flughäfen Berlin, Düsseldorf, Frankfurt und München starten zu lassen. Dies entspricht der Fluganzahl nach Dalaman oder Bodrum. Das wären bei durchschnittlich 150 besetzten Sitzen dann 600 Passagiere pro Woche. Aus anderen Ländern könnte noch einmal die gleiche Anzahl nach Gazipaşa fliegen. Macht in den 26 Sommerwochen dann 31.200 ankommende plus 31.200 abfliegende Passagiere, d.h. 62.400 insgesamt. Wenn eine Maschine aus Europa denn landen könnte.

Transfer zu den Hotels

Es ist Ihnen bestimmt schon aufgefallen: Die Flüge einer Gesellschaft kommen im Minutenabstand in Antalya an. So kann die Incoming-Agentur alle Gäste eines Veranstalters in wenigen Transferbussen schnell mit ein oder zwei Stopps zu den Hotels bringen. Für den Rückweg zum Flughafen gilt das Gleiche.

Bei 600 ankommenden Passagieren in Gazipaşa könnten nur wenige Busse eingesetzt werden. Diese Busse müssten viele Hotels anfahren. Die tatsächliche Transferzeit würde sich deshalb kaum verkürzen.

Kommt er oder kommt er nicht?

Die Gazipaşa-Betreiber müssen jedes Jahr 50.000 Euro für die Flughafen-Konzession bezahlen. Die Frankfurter Flughafen AG (Fraport) zahlt 372.000 Euro für den Flughafen Antalya. Nicht pro Jahr, sondern pro Tag! Insgesamt 2,45 Mrd. Euro für 18 Jahre. Macht gut neun Euro pro landenden oder abliegenden Passagier. Wenn der Flughafen Gazipaşa interessant wäre, hätte die Fraport AG mal kurz ihre Portokasse geöffnet.

Entscheidend ist, dass Flugzeuge aus Europa in Gazipaşa nicht landen können. Da müsste die Landebahn doppelt so lang sein und wegen der Berge auch noch gedreht werden. Bei maximal 100.000 Fluggästen im Jahr wäre das nicht zu finanzieren.

Der Flughafen Gazipaşa wird nie ein internationaler Flughafen. Das ist aus technischen und wirtschaftlichen Gründen unmöglich. Alles andere ist Wunschdenken und sonst nichts!

Was wird aus Gazipasa?

Es ist und bleibt ein kleiner Regionalflughafen. Die kurze Start- und Landebahn ist nur für Flugzeuge mit bis zu 50 Plätzen geeignet. Solche Maschinen haben eine Reichweite von maximal 1.200 km. Wenn überhaupt, dann könnte es Flüge mit kleinen Flugzeugen nach Istanbul, Ankara oder Izmir geben.

Lösungen für Alanya

Es bleibt also weiterhin der Transfer von und nach Antalya. Die Verantwortlichen sollten ihre Energie nicht mit dem Flugplatz Gazipaşa verschwenden. Die Verkürzung der Transferzeit ist sehr wichtig. Was kann man tun?

Die letzten 20 km vor Antalya sind fast kreuzungs- und ampelfrei. Hier fliesst der Verkehr sehr zügig. Zwischen Alanya und Manavgat gibt es viele unnötige Ampeln. Dort kommt alle halbe Stunde mal ein Auto aus der Querstrasse. Man könnte die D400 teilweise kreuzungsfrei bauen, manche Ampeln entfernen und eine "Grüne Welle" einrichten. "Grüne Welle" heisst: Bei 90 km/h habe ich an jeder Ampel der D400 Grün. Diese Massnahmen verkürzen die Fahrzeit nach Antalya um 15 bis 30 Minuten. Oder gleich eine Autobahn bauen.

Text: Dietmar Pedersen / Bilder: Dietmar Pedersen
(Erschienen in der gedruckten Ausgabe vom 07.04.2008)