Deutsche Türkei Zeitung

Streuner aus Side - ich komme

Ein Bericht unserer Leserin Liane Hoffmann

Es ist jetzt März 2010. Fast zehn Monate ist es her, dass ich das letzte Mal die Türkei besuchte. Damals holte ich den dreibeinigen Pascha aus Side.

Nun war es wieder soweit. Viel hatte ich für meine Woche dieses Mal nicht auf dem "Programm". Ich wollte vorwiegend Kontakte zu Tierschützern vor Ort und dem Tierarzt Mustafa Koc festigen. Aber - genau: Es kam doch wieder ganz anders. Noch samstags, hier zu Hause, erreicht mich eine Bitte: Wir haben in Side auf dem Hügel eine Mama mit 8 Welpen gesehen. Du fliegst doch morgen? Kannst Du bitte mal danach schauen? Sicher mach ich. Mein Flieger ging Sonntagabend spät, so dass ich erst gegen 2 Uhr Montag früh meine Unterkunft beziehen konnte. Schnell noch auspacken und dann schlafen.

Am Montagmorgen machte ich einen ersten Rundgang durch den Hotelgarten. Gott sei Dank, nur fünf Katzen. Das Hotel-Management erlaubte, dass ich die Katzen einfangen durfte und beim Tierarzt kastrieren lassen konnte. Dies wollte ich dienstags angehen. Damit ich jederzeit mobil bin, was ja bei der Arbeit mit Straßentieren ganz wichtig ist, mietete ich mir direkt ein Auto. Mein langjähriger guter Freund und Helfer, Sülo, hatte Zeit und erklärte sich sofort bereit, mich die ganze Woche zu fahren. Eine große Hilfe, da konnte ich mein Augenmerk immer auf die Straße richten. Dann ging es weiter zu Mustafa Koc, dem Tierarzt, mit dem ich schon seit vielen Jahren zusammenarbeite. Er ist fachlich kompetent, geht liebevoll mit den Tieren um und ist immer da, wenn ich ihn brauche, also unverzichtbar. Er unterstützte mich wieder hervorragend und war immer zur Stelle, wenn ich ihn anrief und um Hilfe bat.

Dienstags konnte ich schon mal drei der Hotelkatzen einfangen und zu Mustafa bringen. Sie wurden kastriert und am nächsten Tag wieder an ihren Platz im Hotelgarten zurückgebracht. Die anderen Katzen folgten im Laufe der Woche.

Einen Hund holte ich zusammen mit Mustafa vom Strand, der dann auch kastriert wurde. Einem anderen Streuner war eine Wolfskralle so eingewachsen, dass die Pfote schon ganz entzündet war und er humpelte. Direkt an Ort und Stelle wurde dem armen Kerl geholfen, und am nächsten Tag lief er schon wieder schmerzfrei am Strand entlang.

Mittwochs schauten Mustafa und ich nach der Mama mit den Welpen. Die Kleinen waren ca. 8-9 Wochen alt. Leider war die Mutter so scheu, dass wir nur bis auf ca. 20 Meter an sie rankamen. Keine Möglichkeit, sie zu fangen und zu kastrieren. Schade - ihr wären mit Sicherheit Dutzende weiterer Babys erspart geblieben, die ein Leben ohne Zukunft auf der Straße haben. So vergingen auch die weiteren Tage mit Füttern hungriger Straßentiere und einigen Kastrationen.

Zwei Begebenheiten möchte ich noch erwähnen: Zum einen durfte ich sogar einen "Besitzerhund" kastrieren lassen. Die meisten Türken sind ja gegen die Kastration, was mit deren Glauben zusammenhängt. Aber Nevzat, den ich auch schon einige Jahre kenne, hatte ein Einsehen und erlaubte, dass seine Hündin "Molly" kastriert wurde.

Und die zweite Begebenheit: Freitags, auf dem Weg von Titreyengöl nach Side, schoss plötzlich ein kleiner Hund ganz panisch und orientierungslos vor unserem Auto her, direkt auf einen entgegenkommenden Reisebus zu. Ich schrie nur noch: Sülo, sofort anhalten! Sülo hielt auf der Stelle an, mitten auf der Straße, und ich sprang aus dem Auto, schnappte mir den kleinen Kerl und hechtete sofort wieder ins Auto. Etwas riskant, aber die Autos hinter uns hielten rücksichtsvoll an. Es war ein Mädchen, ich taufte es "Mutlu" (Glück). Sie schmiegte sich ganz fest an mich und ich hörte ihr aufgeregtes Herz klopfen. Ich handelte in diesem Fall so, da ich durch meine langjährige Tierschutzarbeit am Verhalten eines Tieres auf der Straße erkenne, ob es ein "echter" Straßenhund ist, oder ob er kurz vorher noch in einem zu Hause gelebt hat. Ich vermute, "Mutlu" wurde wenige Minuten zuvor an der Straße ausgesetzt. Ich nahm sie kurzerhand mit zu meiner Freundin Anja, die ich an diesem Tag noch in Alanya besuchte. "Mutlu" genoss die Autofahrt schlafend auf dem Rücksitz. "Mutlu" blieb bei Anja und wartet dort auf ihre "Ausreise" in vier Monaten. Einen Platz in Deutschland hat sie schon.

Eigentlich wollte ich samstags "Urlaub" machen. Aber ich konnte nicht anders, als mit dem Tierarzt Mustafa Koc am Strand von Titreyengöl noch den ein oder anderen Streuner zu füttern, zu entflohen oder einfach nur ein paar Streicheleinheiten zu geben, nach denen sich alle so sehr sehnen.

Sonntags hieß es Abschied nehmen. Ein wenig traurig bin ich immer, wenn ich "mein Gebiet" wieder verlassen muss, denn ich fahre in der Gewissheit, dass ich viele der Tiere nicht mehr wieder sehe. Sie werden nicht überleben. Aber zu Hause warten ja Fränki und Candy, zwei ehemalige Streuner, die sich, nach einer gewissen Eingewöhnungszeit, bei uns so wohl fühlen, dass ich sie für nichts auf der Welt mehr hergeben würde.

Und... Inch`Allah, ich komme wieder!!
Liane Hoffmann, Mülheim-Kärlich